Immer mehr Menschen in Hessen brauchen gesetzliche Betreuung

18.10.2010 | Soziale Arbeit | Nachrichten

In 72 Prozent der Fälle übernehmen Ehrenamtliche das Lebensmanagement / Staatssekretärin Müller-Klepper: „Tandem-Projekt bietet Unterstützung in schwieriger Anfangsphase“

Wiesbaden. Immer mehr Menschen sind in Hessen auf Lebenshilfe in Form der rechtlichen Betreuung angewiesen. „Im Jahresdurchschnitt steigt die Zahl um 2,3 Prozent. Allein im Jahr 2008 wurden in Hessen 20.282 neue Betreuungen eingerichtet. Aufgrund des demographischen Wandels ist mit weiter steigendem Bedarf zu rechnen“, teilte Petra Müller-Klepper, Staatssekretärin im Hessischen Sozialministerium, mit. Betreuerinnen und Betreuer übernehmen das Lebensmanagement für Menschen, die ohne fremde Hilfe nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. „Es handelt sich um eine Tätigkeit mit hoher Verantwortung, die eine enorme soziale Kompetenz erfordert“, würdigte die Familien-Staatssekretärin. Betreuerinnen und Betreuer seien Ansprechpartner für Ärzte, Pflegedienste und Heime. Sie regelten die Vermögensfragen oder setzten Ansprüche gegenüber Behörden. Die an das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz 2005 geknüpfte Erwartung, dass dem Anstieg der Betreuungsfälle entgegen gewirkt werden könne, habe sich nicht erfüllt. Die Betreuungszahlen seien seit Einführung der rechtlichen Betreuung im Jahr 1992 stark angestiegen. Bundesweit benötigen bereits mehr als 1,3 Millionenen Menschen diese Unterstützung. In fast drei Viertel der Fälle (72,39 Prozent) werden nach den Worten der Staatssekretärin ehrenamtliche Betreuer beauftragt – in den meisten Fällen Familienangehörige. In den übrigen Fällen sind Berufsbetreuerinnen und –betreuer im Einsatz. Die Gewinnung und der Einsatz von Ehrenamtlichen sei nach dem gesetzlichen Leitbild eine wichtige Zielvorgabe für die rechtliche Betreuung. Das Land komme der Aufgabe nach, dieses ehrenamtliche Element zu stärken. So fördert das Sozialministerium seit September 2009 in Kooperation mit dem Hessischen  Ministerium der Justiz das Projekt „Betreuung im Tandem“, mit dem die Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung erleichtert werden soll. „Im Tandemprojekt führt ein hauptamtlicher Betreuer eines Betreuungsvereins für einen begrenzten Zeitraum gemeinsam mit einem ehrenamtlichen Betreuer die gesetzliche Betreuung. Erst nachdem der Ehrenamtliche ausreichend angeleitet worden ist und sich schrittweise mit den Betreuungsaufgaben vertraut gemacht hat, erfolgt die vollständige Übertragung der Betreuung auf den Ehrenamtlichen“, erläuterte Petra Müller-Klepper. Eine gute Anleitung und Beratung durch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Betreuungsvereinen helfe Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn über die schwierige Anfangsphase hinweg und ermutige zum Weitermachen. Voraussetzung für eine Betreuung im Tandem ist, dass das zuständige Betreuungsgericht eine solche Betreuung für angezeigt hält und dies dem Wohl des unter Betreuung stehenden Menschen entspricht. Das Betreuungsgesetz räume hier der ehrenamtlichen Einzelbetreuung nicht ohne Grund den Vorrang vor einer hauptamtlich geführten Betreuung ein. Ehrenamtliches Engagement sei eine besondere Form menschlicher Solidarität, die nicht durch professionelle Dienstleistungen zu ersetzen sei. Mittlerweile sind bereits in neun Modellregionen über zwanzig Tandembetreuungen eingerichtet worden. In vielen Fällen sei es nach Überzeugung der Projektverantwortlichen möglich, rechtliche Betreuungen ehrenamtlich zu führen, wenn in der Anfangsphase auf unterstützende Maßnahmen zurückgegriffen werden kann. Der Caritasverband Wiesbaden Rheingau Taunus wird als Projektträger den gesamten Projektzeitraum von zwei Jahren wissenschaftlich begleiten, um hierüber genauere Erkenntnisse zu gewinnen.

Quelle: Pressemitteilung des Hessischen Sozialministeriums vom 18.10.2010
http://www.hsm.hessen.de