GEW: „Bildungsrepublik Deutschland bleibt Fata Morgana“

Bildungsgewerkschaft zum Bundesländer-Schulleistungsvergleich

Frankfurt a.M. – „Die ‚Bildungsrepublik Deutschland’ bleibt eine Fata Morgana. Fast zehn Jahre nach PISA gibt es keine substanziellen Verbesserungen des deutschen Schulsystems. Politik muss jetzt endlich energisch gegensteuern. Mehr Gerechtigkeit und mehr Leistung sind nur in einem gerechten inklusiven Schulsystem, in dem alle Kinder und Jugendlichen gemeinsam lernen und individuell gefördert werden, möglich“, sagte Marianne Demmer, für Schule verantwortliches Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf den heute veröffentlichten Schulleistungsvergleich der Bundesländer. „Auch die Länder, die beim Ranking vorne liegen, haben keinen Grund zum Jubeln. Die Lesekompetenz der Schüler hat sich im Vergleich zu PISA 2000 sogar geringfügig verschlechtert. Zudem ist in diesen Bundesländern die Abhängigkeit des schulischen Erfolges von der sozialen Herkunft der Kinder besonders stark ausgeprägt. Chancengleichheit bleibt im deutschen Schulsystem ein Fremdwort.“ „Die Politik hat sich in den vergangenen Jahren verzettelt und die falschen Akzente gesetzt: Statt Chancengleichheit und individuelle Förderung zum zentralen Thema zu machen und massiv in die Fortbildung des pädagogischen Personals zu investieren, hat sie den Schwerpunkt bei der Qualitätssicherung gesetzt“, betonte Demmer. „Die Schulen werden zwar ständig mit Leistungsvergleichen überzogen. Aus den Testergebnissen werden jedoch keine Konsequenzen gezogen: Es mangelt an Personal und Mitteln für die individuelle Förderung. Zudem werden die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Lehrkräfte systematisch verschlechtert.“ Darüber hinaus würden unsinnige Entscheidungen getroffen, wie die gymnasiale Schulzeit zu verkürzen, ohne gleichzeitig ein stimmiges Konzept vorzulegen. Vor allem die Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe hätten darunter zu leiden. „Um die Lesekompetenz zu verbessern, hatten die Kultusministerien zehn Jahre Zeit. Das Ergebnis: Ein 90-seitiges Literaturverzeichnis der von Bayern geleiteten Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz ‚ProLesen’ und eine Sammlung von über 100 Lese-Projekten in den Bundesländern, die kaum ein Lehrer kennt,“ sagte Demmer. Eine repräsentative Online-Befragung der GEW unter Lehrkräften hatte ergeben, dass drei Viertel die Förderkonzepte gar nicht oder nur vom Hörensagen kennen. „Deutschland muss sich endlich auf den Weg zu einem inklusiven Schulsystem machen“, mahnte die GEW-Schulexpertin. Die unsinnige Aufteilung in unterschiedlich anspruchsvolle Schulformen und die Aussonderung junger Menschen mit Behinderungen müsse endlich überwunden werden. „Individuelle Förderung braucht gut ausgebildetes und motiviertes Personal, genügend Zeit und gute Lernbedingungen wie kleine Klassen“, betonte sie.

Quelle: Pressemitteilung der GEW vom 23.06.2010
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