Geplantes Vormundschaftsrecht nicht praxisnah

Anlässlich der gestrigen Beratung zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im Bundestag weist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (DV) erneut auf die Schwächen des aktuellen Gesetzesvorhabens hin.

Der DV begrüßt das Ziel des Gesetzgebers, eine Verbesserung des Kinderschutzes dadurch zu erreichen, dass der persönliche Kontakt des Vormunds zu seinen Schützlingen intensiviert wird. Er sieht jedoch vor allem die Regelungen, nach denen der Vormund maximal 50 Kinder betreuen und sie einmal im Monat zu Hause besuchen soll, kritisch. Starre Zahlen und feste Zeiten festzuschreiben, ist nicht lebensnah. So ist ein regelmäßiger Hausbesuch bei Säuglingen nützlich. Bei Jugendlichen kann es jedoch wirkungsvoller sein, sie außerhalb der üblichen Umgebung aufzusuchen. Die erforderliche Häufigkeit des Kontakts kann sich danach unterscheiden, ob das Kind bei seinen Eltern, bei Pflegeeltern oder in einer Einrichtung lebt. Die in dem Gesetzesentwurf vorgesehenen Festschreibungen sind insoweit kontraproduktiv. „Das sehen wir sehr kritisch. Eine Gestaltung der Kontakte nach fachlichen Gesichtspunkten je nach Bedarfslage der Kinder ist so nicht möglich. Der DV lehnt diesen Dirigismus von der Bundesebene ab, zumal er nicht zielführend ist. Wir vertrauen vielmehr auf die Erfahrung der Jugendamtsmitarbeiter/-innen“, so Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins. Auch würden derartige Vorgaben hohe Personalkosten verursachen, für die die Länder einen finanziellen Ausgleich erhalten müssten. Ansonsten wären sie gezwungen, an anderen Stellen Fachkräfte abzuziehen, um den gesetzlichen Anforderungen entsprechen zu können. In den Kommunen besteht großer Unmut darüber, dass ihnen vom Bundesgesetzgeber erneut sehr konkrete Vorgaben gemacht werden sollen, wie sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu verfahren haben. Der Bundesrat hat darauf verwiesen, dass das Gesetz ohne Zustimmung des Bundesrates nicht verabschiedet werden dürfe. Die Länder weisen darauf hin, dass ein entsprechendes Gesetz einen bis zu vierfachen Personalbedarf gegenüber dem gegenwärtigen Zustand auslösen könnte. Angesichts der drängenden Probleme der kommunalen Finanzierung hat die Bundesregierung erst im Februar dieses Jahres beschlossen, eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung (Gemeindefinanzkommission) einzusetzen, die unter anderen prüfen soll, ob die Gemeinden nicht durch einen Abbau beziehungsweise eine Flexibilisierung von Standards entlastet werden sollten. An dem im letzten Jahr vorgelegten Entwurf eines Kinderschutzgesetzes hatte der DV eine ähnliche Kritik geäußert, weil dieser die regelmäßige Durchführung von Hausbesuchen durch die Kinder- und  Jugendhilfe vorgesehen hatte. Der DV ist davon überzeugt, dass die Arbeitsplanung den Jugendämtern vorbehalten bleiben muss. Sie haben die fachliche Kompetenz, im Einzelfall flexibel reagieren zu können.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. vom 11.11.2010