"Sie gehören zu uns! - Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes"

29.06.2009 | Soziale Arbeit

Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben unterschrieben: „Für alle, die hier geboren sind, muss klar sein, dass sie dazugehören – und zwar ohne Wenn und Aber!“

Zusammenfassung der Statements bei der Pressekonferenz am 24. Juni 2009 in Berlin

Der im Jahr 2000 im Staatsangehörigkeitsrecht verankerte Optionszwang führt dazu, dass Kinder nichtdeutscher Eltern, die mit ihrer Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben, sich mit Vollendung des 18. Lebensjahres zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden müssen. Sie sind „Deutsche auf Abruf“.

Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter die ehemaligen Integrations- und Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, die ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Rita Süssmuth, der Bundesminister a.D. Hans-Jochen Vogel sowie Repräsentanten von Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und der Evangelischen und Katholischen Kirche in Deutschland fordern die sofortige Abschaffung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht. Sie alle haben den Aufruf „Sie gehören zu uns! – Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes“

unterzeichnet.

Anlässlich der Vorstellung des Aufrufs am 24. Juni 2009 in Berlin erklärte Marieluise Beck, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung in den Jahren 1998 bis 2005, es sei an der Zeit, dass das „wir“ und „ihr“ endlich aufhöre: „Es ist nicht nur unfair, wenn Deutschen, nur weil deren Eltern anderer Herkunft sind, mit dem Optionszwang die Frage nach ihrer Loyalität gestellt wird. Es macht das Misstrauen geradezu zur Basis des Verhältnisses zwischen dem Staat und seinen eingebürgerten Bürgern.“

Annelie Buntenbach , Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes des Deutschen

Gewerkschaftsbundes, plädierte dafür, Eingewanderten generell die Möglichkeit der doppelten Staatsangehörigkeit einzuräumen. Die Abschaffung des Optionszwangs sei ein weiterer wichtiger Schritt auf diesem Weg. Sie wies darauf hin, dass schon heute bei mehr als der Hälfte aller Einbürgerungen die doppelte Staatsangehörigkeit akzeptiert wird: „Deshalb ist der Optionszwang anachronistisch. Für alle, die hier geboren sind, muss klar sein, dass sie dazugehören – und zwar ohne Wenn und Aber!“

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, wies auf die fatalen integrationspolitischen Konsequenzen des Optionszwanges hin: „Bei denen, die von den zuständigen Behörden jetzt in oft schroffer Tonlage angeschrieben werden, kommt die Botschaft an: ‚Ihr gehört nicht dazu, wir legen auf Euch keinen Wert!’ Das macht es für die jungen Menschen nicht leicht, sich in ihrer Gesellschaft und in ihrem Land heimisch zu fühlen. Es erschwert den Prozess der Integration sehr.“

Cornelia Schmalz-Jacobsen , die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung in den Jahren 1991 bis 1998, führte aus, dass die Optionspflicht eine eklatante Ungleichbehandlung gegenüber den „natürlichen Doppelstaatlern“ darstellt. Denn Heranwachsende mit einem deutschen Elternteil oder mit Eltern, die Staatsbürger eines EU-Staates oder - aus verschiedenen Gründen - Doppelstaatler seien, wären dem Optionszwang nicht unterworfen: „Diese ganz offensichtliche und eklatante Ungleichbehandlung schafft Unsicherheit und viel Verdruss!“

Prof. Dr. Axel Schulte , Politikwissenschaftler an der Universität Hannover, erklärte, der Optionszwang sei nicht nur ein – den damaligen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat geschuldeter – integrationspolitischer Irrweg. Auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip und die Legitimation politischer Entscheidungen sei es kontraproduktiv, junge in Deutschland geborene und aufgewachsene Menschen vor die Wahl zu stellen und ihnen gegebenenfalls die Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen: „Zentrale Partizipationsrechte wie das Wahlrecht basieren auf der Staatsbürgerschaft. Die Einbürgerungszahlen sinken dramatisch, die Kluft zwischen wahlberechtigtem Staatsvolk und der Bevölkerung wird zusehends größer. Durch den Optionszwang verschärft sich diese Problematik. Das schadet unserer Demokratie!“

Der Aufruf „Sie gehören zu uns! – Wider den Optionszwang für Kinder unseres Landes“ wird vom Interkulturellen Rat in Deutschland koordiniert. Dessen Vorsitzender, Dr. Jürgen Micksch,

erklärte, man werde in den nächsten Wochen und Monaten auf der Homepage der Kampagne um Unterstützung für den Aufruf werben, sich unmittelbar nach der Bundestagswahl an die regierungsbildenden Parteien wenden und sie auffordern, den Optionszwang zu beseitigen:

„Der Optionszwang war ein Geburtsfehler der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000. Dieser Geburtsfehler muss schnell korrigiert werden.“

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Interkulturellen Rats:

http://www.interkultureller-rat.de/


Quelle: Interkultureller Rat in Deutschland, Pressemitteilung vom 24.06.2009