Niveau des Kinderschutzes in Deutschland spürbar erhöht

02.09.2009 | Soziale Arbeit

"Wir brauchen verlässliche Qualitätsstandards", so Ministerin von der Leyen. Für den Schutz von Kindern vor Misshandlung und Vernachlässigung tragen Bund, Länder und Kommunen eine gemeinsame Verantwortung. 

"Wir haben in den vergangenen vier Jahren gemeinsam mit den Ländern und Kommunen
große Schritte für einen aktiven Kinderschutz unternommen. Es gibt aber auch noch
Lücken, die wir dringend schließen müssen. Wir kennen die Fehlerquellen und
müssen weiter konsequent daran arbeiten, die Risiken zu minimieren. Für den
Schutz unserer Kinder brauchen wir verlässliche Qualitätsstandards, die
deutschlandweit gelten, keinen Flickenteppich. Alle, die vor Ort Verantwortung
tragen, brauchen Sicherheit und Klarheit", sagt Ursula von der Leyen,
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die den Bericht heute
im Bundeskabinett vorstellte…

  Für den Schutz von Kindern vor Misshandlung und Vernachlässigung tragen Bund,
Länder und Kommunen eine gemeinsame Verantwortung. Auch die Beteiligten in
Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Justiz haben wichtige Schritte
unternommen, um die Prävention zu stärken. Aktiver Kinderschutz fußt auf zwei
wesentlichen Säulen: Prävention und Intervention.

    * Das Aktionsprogramm "Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale
      Frühwarnsysteme" mit zehn vom Bund geförderten Projekten in allen 16
      Bundesländern.
     
    * Das im Jahr 2007 neu eingerichtete Nationale Zentrum Frühe Hilfen vernetzt
      die Systeme der Kinder- und Jugendhilfe mit denen des Gesundheitswesens.
      Ziel ist, Familien in belastenden Lebenslagen früh zu erreichen und
      rechtzeitig koordinierte Hilfe vor Ort in Gang zu setzen. Das Nationalen
      Zentrum Frühe Hilfen hat auch die Aufgabe, Kommunen und Träger beim Auf-
      und Ausbau lokaler Kinderschutz-Netzwerke zu unterstützen.
     
    * Das im Herbst 2008 verabschiedete Kinderförderungsgesetz zum Ausbau einer
      bedarfsgerechten und qualifizierten Kindertagesbetreuung schafft Entlastung
      für überforderte Familien.
     
    * Mit dem Kinderpornographiebekämpfungsgesetz ist im Sommer 2009 ein
      ergänzendes Instrument zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern
      geschaffen worden . Das Gesetz ist Baustein einer zentralen Strategie zum
      Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt, es dient dem Opferschutz, stört
      das Massengeschäft der Kinderpornographie empfindlich und setzt ein
      wichtiges gesellschaftspolitisches Signal. Von Deutschland aus ist
      Kinderpornographie nicht frei abrufbar.
     
    * Der nationale "Aktionsplan der Bundesregierung zum Schutz von Kindern vor
      sexueller Gewalt und Ausbeutung" wird weiterentwickelt. Es werde primär
      Maßnahmen umgesetzt, die in der Nachfolge des III. Weltkongresses gegen
      sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen erarbeitet wurden. Einen
      Schwerpunkt wird die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den
      neuen Medien bilden, dies vor allem in der Begleitung der Opfer, der
      Aufklärung und Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen und in der
      Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit.
     
    * Eine neue gesetzliche Grundlage ermöglicht Familiengerichten früher
      einzugreifen und erweitert die Handlungsmöglichkeiten. Statt gleich das
      Sorgerecht zu entziehen, können Gerichte jetzt zum Beispiel einen
      Kitabesuch anordnen, vorgeben, dass ein Kind einem Amtsarzt vorgestellt
      wird oder die Schulpflicht durchsetzen.
     
    * Die Einführung einer neuen Kindervorsorgeuntersuchung U 7a schließt die
      Lücke zwischen 3 und sechs Jahren.
     
    * Fast alle Bundesländer haben ein verbindliches Einlade- und
      Erinnerungswesen für Früherkennungsuntersuchungen eingeführt (bereits
      beschlossen/in Kraft in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen,
      Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz,
      Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen; im Gesetzgebungsverfahren in
      Berlin, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt). Zentral sind dabei stets
      Einladungssysteme mit Rückmeldemechanismen. Wenn Familien nicht zu
      Untersuchungsterminen beim Kinderarzt erscheinen, wird systematisch
      nachgehakt. Notfalls schaut das Jugendamt zuhause nach dem rechten.

  Aus einer systematischen Analyse tragischer Kinderschutzfälle im Auftrag des
Bundesfamilienministeriums ("Lernen aus problematischen Kinderschutzverläufen",
Fegert 2008) lassen sich typische Muster, Schwachstellen und Fehlerquellen
identifizieren:
    * Etwa ein Drittel der Kinder sind jünger als ein Jahr.
    * Fast die Hälfte der Kinder (45 Prozent) wurden vernachlässigt (4 Prozent
      bis zum Tod).
    * Ein Viertel der Kinder wurde schwer misshandelt (9 Prozent mit Todesfolge).
    * Die Täterinnen und Täter sind so gut wie immer die unmittelbaren, primären
      Bezugspersonen des Kindes (Mütter, Väter, nahe Verwandte).   Bei den häufigsten Fehlerursachen ragen drei Bereiche heraus:
    * Oft verlassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Akten oder
      Einschätzungen Dritter, statt sich vor Ort einen persönlichen Eindruck vom
      Kind und der Familiensituation zu verschaffen (Hausbesuch).
    * Missachten des "Mehr-Augen-Prinzips": Verantwortliche, die sich nur auf
      ihre eigene subjektive Wahrnehmung konzentrieren, haben sie keine Chance,
      Fehleinschätzungen zu korrigieren.
    * Mangelhafte Dokumentation und Brüche in der Informationskette: Wenn dann
      Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausfallen oder der Fall in eine andere
      Zuständigkeit übergeben werden muss, gehen wichtige Informationen verloren.   Kommunen, die ihre Strukturen für den Kinderschutz effektiver und sicherer machen
wollen, erhalten vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen logistische Unterstützung.
Das Interesse der Kommunen an diesem Angebot ist groß.

Quelle: BMFSFJ Internetredaktion, Pressemitteilung Nr. 428/2009 zum Thema "Kinder und Jugend", veröffentlicht am 02.09.2009