Europäisches Zeitungsprojekt: Zeitung gegen das Vergessen

03.07.2009 | Soziale Arbeit

15 Schülerteams aus Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik und Österreich produzierten zusammen die Zeitung "Weiße Flecken". Sie schließt Lücken aus der NS-Zeit.

Vor 20 Jahren wäre dies noch nicht möglich gewesen: 15 Schülerteams aus Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik und Österreich produzierten zusammen die Zeitung "Weiße Flecken". Sie schließt Lücken aus der NS-Zeit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kam zur feierlichen Präsentation ins Jüdische Museum in Berlin. Sie war beeindruckt, wie viel Arbeit in der Zeitung steckt. "Wir wissen mittlerweile sehr viel über die großen Städte", sagte die Kanzlerin. Aber in den kleinen Städten gebe es noch viele weiße Flecken aus der NS-Zeit, die erforscht werden müssten.

Was geschah?

Für die Jungendinitiative step21 recherchierten 70 jungen Menschen  von Berlin bis Brno, von Klagenfurt bis Poznan, was zur Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Heimatregion geschah. Neun Monate durchforsteten sie die Archive und spürten die letzen noch lebenden Zeitzeugen auf.

Sie nahmen an Redaktionsworkshops in Deutschland und Polen teil und schrieben eine Zeitung, die die "weißen Flecken" der NS-Presse füllt. Unterstützt von professionellen Journalisten und Historikern erarbeiteten die junge Europäer so persönliche Geschichten von Opfern des Nationalsozialismus.

Deutsche Presse schwieg

Das Team "Geschichtsjäger" aus Zabrze in Polen wollte mehr über die Kristallnacht 1938 in ihrer kleinen Stadt erfahren. In der deutschen Presse stand kaum etwas darüber. "Über den Verlauf dieser Nacht gab es nur weiße Flecken", berichteten sie der Kanzlerin. Bis sie einen Zeitzeugen fanden, der ihnen erzählte, wie damals die Synagoge brannte und die Nationalsozialisten jüdisches Eigentum zerstörten.

Weiße Flecke werden kleiner

Ein Team recherchierte in Brno, der zweitgrößten Stadt der Republik Tschechien, über das Kaunitz-Kolleg. Auch dieses Team fand einen 90jährigen Zeitzeugen, der ihnen erzählte, was wirklich geschah. Die Gestapo machte aus dem Studentenwohnheim ein Gefängnis. Studierzimmer verwandelten sich in Gefängniszellen, im Hof standen Galgen. Für die "Verhöre" wurden die ehemaligen Badezimmer umgebaut.

Schülerinnen und Schüler aus Berlin beschäftigten sich mit dem Leben des

Kommunisten Erich Boltze. 1933 verhaftete ihn die Gestapo. Ein Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren

Zuchthaus. Aber danach wurde er nicht entlassen, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Dort erschoss ihn 1944 die SS mit 26 weiteren deutschen und französischen Antifaschisten.

Gemeinsam für Menschenrechte

Bei den Recherchen sind sich die Jugendlichen näher gekommen. Sie stellten fest, dass sie mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Und sie lernten, wie wichtig es ist, auch heute Zivilcourage zu zeigen. Diese Mädchen und Jungen schauen nicht weg, wenn andere Mitschüler auf dem Schulhof CDs mit rechtsradikalen Liedern verteilen. Sie greifen ein. "Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, dass die Menschenrechte auf dem Papier existieren", schreiben sie in ihrem gemeinsamen Leitartikel, "wir müssen für sie eintreten!"

Seit Mittwoch wird die Weisse Flecken-Zeitung an Schulen, Jugendeinrichtungen und Gedenkstätten in den vier teilnehmenden Ländern in einer Auflage von 30.000 Exemplaren verbreitet. Als Modellprojekt soll sie jung Menschen inspirieren, selbst "weiße Flecken" in ihrer Region zu erforschen. Interessierte können die Zeitung kostenlos per E-Mail bestelle:  

weisseflecken@step21.de


Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, "REGIERUNGonline " - Wissen aus erster Hand, Bereich Wirtschaft, Mitteilung vom 30.06.2009, http://www.bundesregierung.de