Daheim im „Weltweit-Veröffentlichungsding“

09.02.2009 | Soziale Arbeit

Perspektiven von Jugendlichen und Eltern auf Probleme im Internet Denkanstöße des JFF zum Safer Internet Day

Das Internet hat einen zentralen Stellenwert im Medienhandeln von Jugendlichen. Damit verbundene Chancen aber auch Problemstellungen für Jugendliche wurden in mehreren aktuellen Untersuchungen des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (München) herausgearbeitet. Drei Problembereiche werden im Folgenden anlässlich des Safer Internet Day erläutert, da sie besonders relevant erscheinen und einen pädagogischen Auftrag konturieren.

Aufmerksamkeitspunkt Generationenkluft

„Du weißt auch nie, was die Tochter da drin macht. […] Und bei Zeitschriften kannste gucken, was hat denn die da?“, so bringt eine Mutter von zwei Kindern auf den Punkt, was vielen Eltern Kopfzerbrechen bereitet: Nachzuvollziehen welche Inhalte Jugendliche im Internet nutzen, ist praktisch unmöglich. Konnte man früher die Zeitschrift durchblättern, die man im Kinderzimmer gefunden hatte oder zusammen fernsehen, kann man heute zum Teil nicht mehr nachverfolgen, auf welchen Internetseiten sich die eigenen Kinder bewegen, geschweige denn mit welchen Inhalten sie dort konfrontiert werden. Die konvergente Medienwelt mit Computer und Internet als Schaltstelle für geeignete sowohl wie ungeeignete Inhalte ist vielen Eltern, vor allem aus bildungsbenachteiligten Milieus, fremd. „Dass die Eltern Hilfen an die Hand bekommen, womit sie auch umgehen können“, mit diesem Wunsch spricht ein Vater vielen Eltern aus der Seele. Das Gegenüber der Eltern sind Jugendliche, die fast täglich das Internet und mit großer Begeisterung die Angebote des Web 2.0 nutzen und die die Hoheit über den Jugendmedienschutz nicht selten für sich beanspruchen. Denn genutzt wird gerade das Internet auch dazu, sich nicht für ihr Alter freigegebene Computerspiele, Filme o.ä. runterzuladen.

Aufmerksamkeitspunkt Privatsphäre und Datenschutz

Jugendliche schätzen die neuen Freiheiten, die ihnen das Internet, allen voran das Web 2.0 mit seinen Social Networking Sites, wie SchülerVZ, fotocommunity.de oder YouTube, bietet. So sagt ein 16-jähriges Mädchen: „Es ist für mich wichtig, weil ich meine ganzen Privatsachen drinnen hab und alles machen kann, ohne dass meine Mutter mir beim Telefonieren zuhört.“

Was für Jugendliche einen Zugewinn an Selbständigkeit und Unabhängigkeit von den Eltern bedeuten kann, ist jedoch auch kritisch zu sehen, denn durch die zum Teil ohne Anmeldung zugänglichen Plattformen offenbaren die Jugendlichen ihr Privatleben öffentlich und geben sogar unbekannten Menschen Einblick in persönliche Details. Zudem verletzen Heranwachsende – meist ohne es zu wissen – Persönlichkeitsrechte Anderer, z.B. indem sie Fotos von Freunden hochladen, ohne diese vorher um Erlaubnis zu fragen. Viele Jugendliche haben durchaus ein abstraktes Wissen um das Risiko des Kontrollverlustes, das mit der Digitalisierung von persönlichen Angaben sowie Produkten, wie Fotos oder Videos verbunden ist. Ein anderes Mädchen formuliert das sehr eindrücklich: „Wenn es ganz schlecht kommt, werden Bilder oder private Dinge von Dir im Internet veröffentlicht. Das ist das Schlimmste, was passieren kann.“ Um dabei zu sein in der Mitmach-Medienwelt zeigen, sie sich trotzdem und machen sich erkennbar. 

Aufmerksamkeitspunkt Mobbing und Belästigung

Mobbing und Belästigung als Probleme in der Interaktion mit Anderen sind ebenfalls im Blickfeld von Jugendlichen. Durch das Sich-öffentlich-machen servieren Jugendliche Freunden aber auch Fremden ihre eigene Persönlichkeit auf dem Silbertablett und bieten somit eine persönliche Angriffsfläche. In diesem Punkt sind deutliche Geschlechterunterschiede auszumachen: Thematisieren die Jungen vor allem die Möglichkeit, im Internet „andere [zu] verarschen“ oder zu ärgern, wird von weiblichen Befragten eher die Betroffenenperspektive eingenommen und die Gefahr der Belästigung durch Fremde angesprochen. Als mögliche Schutzmaßnahme geben Jugendlichen an, Chatkontakte auf den Bekanntenkreis zu beschränken oder in einem mehrstufigen Verfahren die Authentizität des Gegenüber zu prüfen (vom schriftlichen Kontakt über den Austausch von Bildern, den Videochat bis hin zum persönlichen Treffen). Vor allem die Weitergabe von persönlichen Angaben, wie Anschrift, Telefonnummer und Originalnamen, wird von Jugendlichen selbst problematisiert und sie proklamieren die Regel: Keine persönlichen Daten ins Internet stellen! Wer sich durch die einschlägigen jugendnahen Plattformen klickt, begreift schnell, dass dieses Regelwissen in vielen Fällen keine Verhaltensrelevanz hat.

Bei Jugendlichen (und auch Eltern) sind vor diesem Hintergrund insbesondere die Entwicklung von Fähigkeiten in zwei Bereichen pädagogisch zu fördern:

-          Medienwelten durchschauen ist eine notwendige Voraussetzung für den kompetenten Umgang mit dem Internet. Zu wissen, welche Medienstrukturen sich hinter den (oftmals kostenlosen) Angeboten verbergen und wer sich Einblick in die persönlichen Daten verschaffen kann, sind wichtige Voraussetzungen, um abzuschätzen, was man im Internet machen kann oder besser lassen sollte.

-          Mit-Verantwortung übernehmen ist in einer weltweit offenen Medienstruktur wie dem Internet unabdingbar. Verantwortung für eigene Inhalte ist dabei nur ein Aspekt, Aufmerksamkeit für das Handeln Anderer ein weiterer. Gerade Jugendliche müssen hier gestärkt werden, da insbesondere Peer-to-Peer-Interaktion Chancen für Unterstützung und korrigierende Einflussnahme bietet.

Erfolgversprechend sind pädagogische Angebote, die Jugendliche im aktiven Handeln motivieren, Stellung zu beziehen und damit das ‚Verantwortung übernehmen’ erfahrbar machen. Zu entwickeln sind entsprechende Angebote, die die Ressourcen und die Lebenswelt der Jugendlichen einbinden.

Untersuchungen bzw. Veröffentlichungen, die diesen Informationen zugrunde liegen:

Laufende Untersuchung: Das Internet als Rezeptions- und Präsentationsplattform für Jugendliche. Fünfte Konvergenzstudie des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis gefördert durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Veröffentlichung von Teilergebnissen März/April 2009.

Ulrike Wagner (Hrsg.) (2008): Medienhandeln in Hauptschulmilieus – Mediale Interaktion und Produktion als Bildungsressource. München: kopaed. Die Untersuchung wurde finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Theunert, Helga; Gebel, Christa unter Mitarbeit von Niels Brüggen und Achim Lauber (2007): Untersuchung der Akzeptanz des Jugendmedienschutzes aus der Perspektive von Eltern, Jugendlichen und pädagogischen Fachkräften. München. (Online unter:   http://www.jff.de/dateien/JFF_JMS_LANG.pdf) Eigenständige Teilstudie zur Analyse des Jugendmedienschutzsystems im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Wagner, Ulrike; Theunert, Helga (Hrsg.) (2006): Neue Wege durch die konvergente Medienwelt. München: Reinhard Fischer. Dritte Konvergenzstudie des JFF gefördert durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM).

Ausführlichere Informationen und Ansprechpartner für die Projekte unter „Empirische Forschung“ auf www.jff.de.

Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis befasst sich bereits seit 1949 mit dem Medienumgang der heranwachsenden Generation. Die Ergebnisse der Forschung sind Grundlage für pädagogische Modelle in der Erziehungs-, Bildungs- und Kulturarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die medienpädagogischen Projekte liefern wiederum wichtige Impulse für den wissenschaftlichen Bereich.


Quelle: JFF (Presse)