Machtgebrauch im Sprechzimmer

04.11.2008 | Soziale Arbeit

Wie Ärzte ihre Patienten überzeugen RUB-Masterarbeit als Buch erschienen

Fachchinesisch, belehrende Monologe und das Erheben der Stimme gehören zum Instrumentarium der Machtausübung im Sprechzimmer. Wir Ärzte ihre Patienten von der eigenen Therapiewahl überzeugen und oft aus Zeitmangel die kooperative Entscheidungsfindung im Keim ersticken, hat RUB-Sprachforscher Tim Peters auf der Basis von 100 aufgezeichneten Arzt-Patienten-Gesprächen untersucht. Seine Arbeit ist jetzt im Frank & Timme-Verlag als Buch erschienen.

100 fingierte Patientengespräche

Basis der Arbeit, die Peters am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik (Prof. Dr. Wolfgang Boettcher) anfertigte, waren 100 aufgezeichnete Konsultationsgespräche in 52 Düsseldorfer Hausarztpraxen, die für eine Studie der Abteilung für Allgemeinmedizin an der Düsseldorfer Universitätsklinik unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz-Harald Abholz aufgenommen wurden. Die Ärzte hatten sich einige Monate zuvor schriftlich bereit erklärt, sich zu Studienzwecken heimlich aufzeichnen zu lassen. Jeder Arzt bekam zwei fingierte Patientenbesuche, einen von einer ängstlich-drängenden Kopfschmerzpatientin und einen von einer neutral-akzeptierenden. Tim Peters analysierte den Redeanteil der Beteiligten, das Sprechtempo, die Intonation, die benutzten Begriffe, Ziel und Struktur des Gesprächs. Dabei stellte er bestimmte sprachliche Abläufe innerhalb der Kommunikation fest, mit denen der Arzt den Patienten beeinflussen kann.

Zeitmangel verhindert kooperative Entscheidungsfindung

So lässt der Arzt die Patientin nicht ausreden, unterbricht ihre Ausführungen häufig und stellt stattdessen strukturierende ja/nein-Fragen. Als sie seine gewählte Therapie, eine Spritze, ablehnt, fragt er lauter werdend immer wieder nach, warum sie sie nicht möchte und preist ihr die Spritze unter Nennung unverständlicher Fachbegriffe immer wieder an. Damit setzt er sie unter Druck und unterstreicht seine Kompetenz. Die oft geforderte kooperative Entscheidungsfindung finde beim Arzt nur selten statt, stellt Tim Peters fest. Er vermutet vor allem Zeitmangel hinter dem ärztlichen Einsatz sprachlicher Machtmittel. Der Germanist und Politikwissenschaftler arbeitet zurzeit am Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität an seiner Dissertation zur Arzt-Patienten-Kommunikation.

Titelaufnahme

Tim Peters: Macht im Kommunikationsgefälle: der Arzt und sein Patient (= Forum für Fachsprachen-Forschung Bd. 82), Frank & Timme Berlin 2008,

ISBN: 978-3-86596-181-5

Weitere Informationen

Tim Peters, M.A., Tel. 0234/ 32-28573, Tim.Peters@rub.de


Quelle: RUB - Ruhr-Universitaet Bochum, Pressestelle