Wach bleiben, aber wie?

01.10.2007 | Soziale Arbeit

Was die moderne Schlafmedizin Schichtarbeitern rät

Zur Arbeit zu gehen, wenn andere nach Hause kommen, damit müssen in Deutschland immer mehr Menschen leben. Vor allem in größeren Betrieben und im Dienstleistungsbereich ist das Arbeiten in Schichten rund um die Uhr oft schon die Regel. Schlafmediziner sehen dies mit Sorge, wie sie beim ersten deutschen Patientenkongress für Schlaf und Schlafstörungen in Berlin noch einmal deutlich machten.

Schichtarbeiter hätten vorwiegend mit zwei Problemen zu kämpfen: Sie müssen versuchen, am Tage zu schlafen und sich in der Nacht wach zu halten. Abgesehen von den Nachteilen, die die Schichtarbeit für das familiäre Zusammenleben und die sozialen Kontakte mit sich bringt, führt sie auch zu einer erhöhten Anfälligkeit für verschiedene Erkrankungen. Bis zu 95 Prozent der Schichtarbeiter klagen über Schlafstörungen und sogar 70 bis 90 Prozent der ehemaligen Schichtarbeiter haben sich selbst Wochen und Monate später davon noch nicht erholt.

Verwunderlich ist dies kaum, leben die Betroffenen doch über einen längeren Zeitraum gegen ihren biologisch festgelegten Tag-Nacht-Rhythmus. Nachtarbeiter leiden deshalb unter ständigem Schlafentzug. Im Vergleich zur durchschnittlichen Schlafdauer von Menschen, die tagsüber arbeiten, ist ihr Schlafzyklus um zwei bis vier Stunden verkürzt. Der Schlaf am Tage erreicht zudem nicht die Tiefe des Nachtschlafs, er ist oberflächlicher und störanfälliger.

Wer schlecht einschlafen und durchschlafen kann, bei dem treten fast zwangsläufig sogenannte Vigilanzstörungen auf. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, er ist nicht immer richtig wach und voll konzentrationsfähig. Und das bleibt oft nicht folgenlos. So haben Studien gezeigt, dass Chirurgen nach einer Nachtschicht bei einer Operation 20 Prozent mehr Fehler machen und 14 Prozent mehr Zeit für eine Operation benötigen. Unzureichender Schlaf bei Nachtarbeitern stellt sich immer wieder als mitverursachender Faktor bei Unfällen heraus. Bekannte Beispiele hierfür sind der Atomreaktorunfall in „Three Mile Island“ und die Schiffskatastrophe der „Exxon Valdez“ vor der Küste Alaskas. Aber auch bei etwa einem Viertel der Unfälle im Straßenverkehr spielt übermäßige Schläfrigkeit eine Rolle.

Es lohne sich also, so sagen Schlafmediziner wie Professor Josef Wirth aus Alfeld, etwas gegen die Schlafprobleme von Schichtarbeitern zu tun. Zunächst sollte man feststellen, ob jemand ein Eulen- oder ein Lerchentyp ist, also eher spät abends oder früh morgens aktiver wird. Ein Nachttyp wäre für eine Frühschicht nur schlecht geeignet. Hilfreich seien flexible Arbeitszeitpläne, die auch während der Schicht Ruhephasen erlauben sowie Schichtpläne, bei denen der Übergang zwischen den Schichten – in Anpassung an den biologischen Rhythmus – im Uhrzeigersinn verläuft.

Schichtarbeiter sollten sich darüber hinaus die Regeln der Schlafhygiene aneignen, rät Wirth. Danach sind im Bett nur Schlafen und Sex erlaubt. Zum Schlafen sollte die Schlafzimmertemperatur niedrig und der Raum dunkel gehalten werden. Schlafmittel sollten nur kurzfristig eingesetzt werden. Sie unterstützen zwar den Schlaf am Tage, die erforderliche Wachheit und Konzentrationsfähigkeit während der folgenden Nachtschicht wird aber nicht gesteigert.

Viele Schichtarbeiter versuchen, sich mit Koffein wach zu halten. Das funktioniert aber nur kurzfristig, nach einiger Zeit schlägt die Müdigkeit dann umso vehementer zu. Stimulierende Medikamente vom Amphetamintyp, wie sie früher hin und wieder genommen wurden, sind heute aufgrund ihrer doch erheblichen Nebenwirkungen vom Markt genommen worden. Stattdessen setzen Schlafmediziner bei Patienten mit exzessiver Schläfrigkeit modernere Wirkstoffe wie das Modafinil ein, um die Konzentrationsfähigkeit und Wachheit ohne die Gefahr von Nebenwirkungen zu erhöhen.

Auch mit der Ernährung kann man den Schlaf positiv beeinflussen. Schichtarbeiter sollten Mahlzeiten mit hohem Anteil an Eiweiß und Kohlenhydraten zu sich nehmen und auf schwer verdauliches Essen und gebratene Speisen verzichten. Sie sollten aber auch nicht hungrig ins Bett gehen, denn sowohl Hunger als auch ein überfüllter Magen verschlechtern den Schlaf.


Quelle: Deutsches Grünes Kreuz e.V.