Zirkuläres Fragen
Systemische Zusammenhänge aufdecken
Was sind Zirkuläre Fragen und wie lassen sie sich in welchen Settings gut nutzen? Ein Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten einer der zentralen Systemischen Fragetechniken.
Was versteht man unter Zirkulären Fragen und welche Wirkung haben sie?
Zirkuläres Fragen ist eine Fragetechnik, die zu den Standardwerkzeugen einer systemischen Arbeitsweise gehört. Sie wird dazu eingesetzt, verdeckte Zusammenhänge und Muster von Kommunikation und Verhaltensweisen in der Gruppe sichtbar zu machen und zu beeinflussen. Dabei werden insbesondere Wechselbeziehungen und Rückkopplungen transparenter. Sie basiert auf der Grundannahme der systemischen Haltung, dass alles, was in einem sozialen System passiert, Einfluss auf alle in diesem System beteiligten Personen hat.
Anstatt mit direkten Fragen bei einer Person Reflexionen anzuregen, wird „um die Ecke“ gefragt. Klient:innen werden dazu aufgefordert, ihre Perspektive zu wechseln und eine Beobachtungsrolle einzunehmen, um ihre Einschätzungen mitzuteilen. Indem Person A beispielsweise nach der Beziehung zwischen Person B und Person C befragt wird, erhalten die beiden wichtige Informationen über ihre Außenwirkung und ihrerseits Impulse für Selbstreflexion. Es wird dazu angeregt, sich empathisch in andere hineinzuversetzen. Doch mehr als das: Die von Person A benannte Beobachtung macht deutlich, wie diese durch die Interaktion von Person B & C beeinflusst wird. So liefert sie auch Anhaltspunkte, um ihre eigenen Reaktionen in deren Kontext verständlich zu machen.
Verhaltens- und Kommunikationsmuster können auf diese Weise offengelegt werden und gegenseitiges Verständnis sowie Impulse für Änderungen bewirken. Damit eignet sich das Zirkuläre Fragen für systemische Berater:innen und Therapeut:innen nicht nur, um Informationen über soziale Systeme zu erheben und Hypothesen zu überprüfen, sondern auch um neue Impulse zu erzeugen und damit zu intervenieren.
Anwendung von Zirkulären Fragen in unterschiedlichen Settings
Zirkuläre Fragen haben ihren Ursprung in der systemischen Familientherapie. Besonders in Gruppen mit sehr festgefahrenen Konflikten oder Interaktionsmustern helfen sie, diese zu „verflüssigen“. Dennoch finden sie auch in anderen Konstellationen Anwendung. Diese Fragetechnik bietet sehr viele Anwendungsmöglichkeiten.
Beratung oder Therapie mit Einzelpersonen
Bei Gesprächen mit Einzelpersonen lässt sich die Fragetechnik primär für Perspektivwechsel und zur Selbstreflexion einsetzen. Klient:innen werden dazu angeregt, eine Situation neu zu bewerten. Dieses Reframing kann sowohl auf die Einzelperson selbst abzielen, als auch deren Sichtweise auf andere Personen verändern. Für diese Person wird der Möglichkeitsraum erweitert und neue Lösungsansätze werden entwickelt.
4 Beispiele für Zirkuläre Fragen bei Einzelpersonen
- Wer in Ihrer Familie bekommt es als Erstes mit, wenn Sie einen besonders belastenden Tag hinter sich haben?
- Wie verhält sich Ihr Mann, wenn Ihr Sohn damit überfordert ist?
Oder in der Supervision im Rahmen der Auftragsklärung:
- Woran würde ihre Chefin bemerken, dass unsere Sitzung hier erfolgreich war?
- Was glaubt sie, weshalb Sie sich eigentlich auf ihren Vorschlag eingelassen haben, mit mir zu sprechen?
Zirkuläres Fragen mit Gruppen
Bei Therapiesitzungen mit Familien, Paaren oder Arbeitsgruppen entfaltet sich das volle Potenzial zirkulärer Fragen. Denn nicht nur die symptomtragende Person, sondern alle an den Kommunikationsmustern Beteiligte werden in das Gespräch eingebunden. Berater:innen und Therapeut:innen nutzen auf diese Weise das Expertenwissen des Systems, um neue Impulse zu setzen.
5 Beispiele für Zirkuläre Fragen bei Gruppen
- Wie reagiert Ihre Tochter, wenn Sie sich nach einem Streit auf diese Weise zurückziehen?
- Was löst ihre Reaktion bei Ihrer Partnerin aus, bei ihrem Sohn?
- Wie reagieren die Jugendlichen in Ihrer Wohngruppe, wenn Sie und Ihr Kollege sich so uneinig sind? Was machen dann Ihre anderen Kolleg:innen?
In Kombination mit einer Skalierungsfrage:
- Wenn Ihre Partnerin so in Tränen ausbricht, wie sie von dieser Situation gestern geschildert haben: Was glauben Sie, auf einer Skala von 1 bis 10, wie stark sind ihre Gefühle in diesem Moment?