Mehr Durchblick mit dem Reflecting Team. Symbolbild: Geöffnete Fenster
Jason Yuen / Unsplash

Reflecting Team

Denkräume öffnen

von Mechtild Römer
14.07.2023 | Dossier

Das Reflecting Team bietet eine Vielzahl von Perspektiven auf eine Problemsituation an und lässt ungewohnte Wege aus festgefahrenen Situationen sichtbar werden.

Was ist das Reflecting Team?

Das Reflecting Team wurde als „Reflektierendes Team“ in den 1980-er Jahren von Tom Andersen und Kolleg:innen entwickelt. Reflektieren meint hier „etwas aufnehmen und überdenken, bevor eine Antwort gegeben wird“ (Andersen 1991, S. 28). Die Reflektierenden sind hier zunächst einmal die Fachkräfte. Sie unterhalten sich im Beisein der Ratsuchenden über deren Problem, bieten ihre Gedanken und Ideen zur Problemlösung an und sagen nicht, was richtig oder falsch ist.

Wofür wird das Reflecting Team eingesetzt?

Das Reflektierende Team wurde und wird von systemisch Denkenden für die soziale Arbeit, Therapie und Beratung weiterentwickelt. Es findet Anwendung in Gruppen- und in Einzelsettings. Voraussetzung für eine gelingende Umsetzung sind Verantwortungsbewusstheit, Rollenklarheit, echte Neugier und die Bereitschaft, sich auf ein prozesshaftes Miteinander einzulassen.

Das klassische Setting

Es werden zwei Räume genutzt, die durch eine Einwegscheibe getrennt und durch Mikrofone miteinander verbunden sind.

  • In Raum 1 findet ein Gespräch zwischen Therapeut:in und Familie statt.
  • In Raum 2 sind weitere Therapeut:innen, die aufmerksam zuhören.
  • Nach einer vereinbarten Zeit teilen die Therapeut:innen in Raum 2 ihre Gedanken zum Gehörten mit. Die Familie hört zu.
  • Anschließend ist die Familie eingeladen, sich über die Ideen aus Raum 2 auszutauschen.

Dieser Ablauf findet auch heute noch Anwendung in der Ausbildung für die Systemische Therapie. Es geht hierbei nicht darum, die einzig richtige Lösung zu finden und diese durchzusetzen. Vielmehr soll die Selbstbeobachtung angeboten und ein Veränderungsimpuls aus dem Problemsystem heraus ermöglicht werden, um festgefahrene Muster zu lösen. Wichtig ist, dass die Klient:innen vorab über den Ablauf informiert sind und dem Verfahren zugestimmt haben und dass die Therapeut:innen ihre Gedanken wertschätzend und in einer für die Familie verständlichen Sprache formulieren.

Beispiele fürs Reflecting Team

Variante 1

Wenn das Reflecting Team für die Fallbesprechung in Supervision oder für die kollegiale Beratung genutzt wird, können die beiden Gesprächsräume, wie im folgenden Beispiel, durch Innenkreis und Außenkreis symbolisiert werden.

Die Fachkraft, die den Fall einbringt und eine interviewende Person bilden den Innenkreis, die Teamkolleg:innen (2 bis 10 Personen) bilden den Außenkreis. In der Regel wird dabei nach folgenden fünf Schritten vorgegangen:

  1. Falldarstellung, Formulierung der Beratungsfrage.
  2. Verständnisfragen aus dem Außenkreis.
  3. Die falleinbringende Fachkraft verlässt den Innenkreis und nimmt Platz außerhalb des Außenkreises.
  4. Alle Personen des Außenkreises rücken zusammen, reflektieren das Gehörte, formulieren Fragen, Hypothesen und Lösungsideen.
  5. Die falleinbringende Fachkraft geht zurück in den Innenkreis und gibt Rückmeldung zum Gehörten und welche Anregungen sie mitnimmt.

Variante 2

Fiktives Fallbeispiel, Skizze einer systemisch ausgerichteten Hilfeplanung:

Nach einer Kinderschutzmeldung soll über den Einsatz einer geeigneten Hilfemaßnahme für Familie Willmer entschieden werden. Die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin hat zu einer interdisziplinären Hilfekonferenz eingeladen. Im Raum befinden sich die sorgeberechtigten Eltern, das zehnjährige Kind, das ältere Geschwisterkind, die zuständige Jugendamtsmitarbeiterin, die Kinderschutzfachkraft, die Klassenlehrerin, der Schulsozialarbeiter, die Psychologin des SPZ (sozialpädiatrisches Zentrum), eine Moderatorin und ein Protokollant.

Die Moderatorin übernimmt die Anleitung, erklärt die Regeln, die Zeitstruktur wurde festgelegt und visualisiert.

  1. Die Jugendamtsmitarbeiterin stellt den Fall vor, alle anderen hören zu.
  2. Die Moderatorin erteilt den Anwesenden nacheinander das Wort und achtet auf die Redezeit. Sorgen, Wünsche, Ressourcen und Risikofaktoren werden benannt, gehört und protokolliert, ohne darüber zu diskutieren.
  3. In der nächsten Runde werden Ideen zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung gesammelt.
  4. Die Hilfekonferenz wird beendet.
  5. Am Folgetag treffen sich Jugendamtsmitarbeiterin und Familie erneut. Gemeinsam werden die nächsten Schritte zur Sicherung des Kindeswohls verabredet und die Verantwortlichkeiten schriftlich festgehalten. Ein Folgetermin zur Überprüfung wird festgelegt.

Literaturangabe

Andersen, Tom (Hrsg.), 1991. Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge über die Dialoge. Dortmund: Verlag modernes lernen.