Jedes dritte Pflegeheim geht mit über 100.000 Euro in Vorleistung

26.05.2025 | Altenhilfe | Nachrichten

Rasant steigende Zuzahlungen bringen immer mehr Bewohner:innen und damit auch die Träger stationärer Einrichtungen in finanzielle Engpässe. Laut einer aktuellen bundesweiten Umfrage des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) und des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) beantragen 43 Prozent der Bewohner:innen von Pflegeheimen Sozialhilfe. Aber der Weg zur finanziellen Unterstützung ist für die Betroffenen eine Geduldsprobe. Viele Sozialämter kommen mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterher. Die Folge sind massive Außenstände, die Pflegebedürftige und Heime gleichermaßen belasten.

Dass die Problematik mittlerweile öffentlich diskutiert wird, begrüßen die beiden Verbände. Eine aktuelle Recherche der Sendung Report Mainz bestätigt die Rückstände und zeigt auf, dass bundesweit mehr als 100 Sozialämter massive Verzögerungen einräumen. „Dass die Problematik jetzt sichtbar wird, ist wichtig. Die Zahlen liegen auf dem Tisch und die Missstände sind unübersehbar. Jetzt braucht es entschlossenes Handeln und keine leeren Versprechen“, fordert Barbara Dietrich-Schleicher, Vorsitzende des VKAD.

Fast alle Betroffenen warten länger als ein halbes Jahr auf Bearbeitung

Von den 8.166 Bewohner:innen, die laut Umfrage einen Sozialhilfeantrag gestellt haben, sind 32 Prozent von langen Wartezeiten betroffen. Davon wiederum warten knapp 94 Prozent sechs Monate und länger auf einen positiven Bescheid. Selbst 12 Monate Wartezeit sind keine Seltenheit.

Bei 60 Prozent der von langen Wartezeiten betroffenen Bewohner:innen liegen die Außenstände bei mehr als 10.000 Euro. „Hier entstehen finanzielle Löcher, die kleinere Träger kaum stemmen können. Wir sprechen hier nicht über ein paar Euro, sondern schnell über fünfstellige Beträge pro Bewohner“, betont Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP.

Pflegeheime gehen in Vorleistung – oft über 100.000 Euro

Für die Pflegeheime bedeutet dies, dass sie über Monate hinweg für Unterkunft, Verpflegung und Pflege in Vorleistung gehen müssen, ohne zu wissen, wann das Geld fließt. 35 Prozent der betroffenen Einrichtungen haben inzwischen Außenstände von über 100.000 Euro. Fast jede dritte Einrichtung sieht ihre Liquidität ernsthaft gefährdet. „Auch ein Pflegeheim muss wirtschaftlich handeln. Man kann nicht dauerhaft vorfinanzieren, ohne irgendwann an die eigenen Grenzen zu stoßen. Man stelle sich vor, ein Restaurant müsste seine Gäste monatelang kostenfrei bewirten, weil die Rechnung nicht beglichen wird. Genau das erleben Pflegeheime gerade“, erklärt Dietrich-Schleicher.

Echte Lösungen fehlen: Dienstaufsichtsbeschwerden als letztes Mittel

Bisher gibt es kaum wirksame Ansätze, um die Antragsbearbeitung zu beschleunigen. Oft bleibt Heimbewohner:innen nur der Weg über eine Dienstaufsichtsbeschwerde, um die Sozialämter zum Handeln zu bewegen. „Eine Dienstaufsichtsbeschwerde kann doch nicht der einzige Hebel sein, damit Zahlungen fließen. Das ist ein Armutszeugnis für die Sozialpolitik und kann für keinen Beteiligten eine dauerhafte Lösung sein“, kritisiert Wilfried Wesemann, Vorsitzender des DEVAP.

VKAD und DEVAP fordern Vorfinanzierung und Entbürokratisierung – Forderungen an das Bundesgesundheitsministerium

VKAD und DEVAP fordern konkrete Maßnahmen: Eine Vorfinanzierung der Sozialhilfeleistungen mindestens in Höhe von 75 Prozent der Ausgaben sowie ein nachgelagertes Prüfverfahren, damit Pflegeheime nicht länger in finanzielle Schieflagen geraten. Zudem muss das Antragsverfahren digitalisiert und entbürokratisiert werden. Die Forderungen tragen die beiden Verbände direkt an das Bundesgesundheitsministerium – mit der klaren Erwartung, dass bundesweit endlich strukturelle Verbesserungen umgesetzt werden. „Man kann den Trägern der Langzeitpflege und den Bewohner:innen nicht zumuten monatelang auf eine Entscheidung zu warten bis entschieden wird, ob und welcher Höhe finanzielle Hilfe gewährt wird. Hier muss sich dringend etwas ändern“, appelliert Wesemann abschließend.


Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege e.V. vom 26.05.2025