Mehrere Personen im Krankenhausgang
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Gewalt in Krankenhäusern – ein zunehmendes Problem?

von Gabriele Meyer & Sascha Köpke
09.08.2024 | Gesundheitswesen | Nachrichten

Mitte April 2024 hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) eine „Blitzumfrage“ mit 250 Allgemeinkrankenhäusern mit mindestens 100 Betten zu Gewaltgeschehnissen in deutschen Krankenhäusern veröffentlicht. Die Befragung fokussiert dabei ausschließlich auf Gewalt gegenüber Mitarbeiter:innen. Eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V

Laut Umfrage berichten knapp drei Viertel der Krankenhäuser von einem mäßigen oder deutlichen Anstieg der Gewaltgeschehnisse in den letzten fünf Jahren. Allerdings sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, hier zeige sich nur die „Spitze des Eisbergs“. Ziel der Gewalt seien überwiegend Pflegende; insbesondere die Notaufnahme sei der Ort des Geschehens. Allgemeiner Respektverlust gegenüber dem Personal, besondere Zustände wie bei übermäßiger Alkoholzufuhr und Schmerz, bestimmte Merkmale der Patient:innen wie Demenz und Schizophrenie seien ursächlich. Lange Wartezeiten und die Durchsetzung von Stationsordnungen u.v.m. würden die Gewalt begünstigen [1].

Das Fernsehen hat das Thema seitdem wiederholt zu besten Sendezeiten aufgegriffen, Zeitungen und die Fachpresse haben umfangreich berichtet. Auf Einladung der Pflegebeauftragten der Bundesregierung wurde am 15. Mai im Rahmen von „Moll im Atrium“ über „Gewalt gegen Pflegekräfte“ diskutiert. Kritisch gewürdigt wurden die Zahlen der Umfrage derweilen nicht. Keine Rede davon, dass in den wenigsten Kliniken Gewaltgeschehnisse systematisch erfasst werden, kein Wort darüber, dass eine Querschnittserhebung zu selbst eingeschätzter zeitlicher Entwicklung nicht geeignet ist, zeitliche Trends eines potentiellen Anstiegs der Gewalt im Krankenhaus zu belegen.

De facto gibt es hierzulande keine systematischen Erhebungen zu Gewaltgeschehnissen in Krankenhäusern, schon gar nicht im zeitlichen Verlauf. Ein gefühlter Anstieg ist kein Ersatz für gut geplante, prospektive Erhebungen. Zu einflussreich sind die öffentlichen Diskussionen um das Thema und sozial erwünschte Tendenzen im Antwortverhalten als verzerrende Aspekte. Um eine belastbare Einschätzung der Entwicklung von Gewaltgeschehnissen und deren potentiellen Auslösern in Krankenhäusern abgeben zu können, braucht es gut geplante prospektive Erhebungen mit validen Erhebungsmethoden. Diese können dann Grundlage von sorgfältig entwickelten Präventionsprogrammen sein, inklusive einer Respektkultur und umfassender Organisationsentwicklung durch optimierte Steuerung der Versorgungsabläufe, Achtung der Patientenrechte neben anderen vielfach beschriebenen und bereits in Projekten erprobten Ansätzen [2].

Die von der DKI und in den Medien diskutierten Maßnahmen der Gewaltbewältigung wie Deeskalationstraining, bauliche Barrieren und Videoüberwachung, Sicherheitsdienst und Strafverschärfung sind nicht primär präventiv und muten wie ein verzweifelter Versuch der Selbstverteidigung an. Es wäre wünschenswert, das Thema Gewalt empirisch fundiert und weniger effektheischend zu behandeln.

Wissenschaftliche Vorarbeiten zu Gewaltprävention liegen schon jetzt vor, ebenso wie Implementierungsprojekte und Lösungen zur systematischen Erhebung.

Referenzen:
[1] Blum K, Löffert S, Kräft J. DKI Blitzumfrage. Gewalt gegen Krankenhausmitarbeiter. https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/krankenhaus-personal-deutlich-staerker-von-gewalt-betroffen/ (Zugriff am 30.05.2024)
[2] https://peko-gegen-gewalt.de/ (Zugriff am 30.05.2024)


Quelle: Stellungnahme der DGP vom 31.05.2024