Runder Tisch gegen Kindesmissbrauch berät Ergebnisse der Arbeitsgruppen
Unter dem gemeinsamen Vorsitz von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und Bundesbildungsministerin Annette Schavan fand heute im Bundesjustizministerium die zweite Sitzung des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch" statt. An dem Treffen nahmen auch die Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Christine Bergmann, sowie rund 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft teil. Die drei Bundesministerinnen legten dem Runden Tisch Sachstandsberichte der von ihnen geleiteten drei Arbeitsgruppen zur Beratung vor, die bei der ersten Plenumssitzung im April eingesetzt worden waren. Die Unabhängige Beauftragte stellte den Zwischenbericht zu ihrer telefonischen Anlaufstelle und die Kampagne "Sprechen hilft" vor. Darüber hinaus berichteten Vertreterinnen und Vertreter von "Wildwasser" und "Tauwetter" über den Kongress "Aus unserer Sicht", zu dem sich am Wochenende in Berlin Menschen getroffen hatten, denen in ihrer Kindheit und Jugend selbst sexuelle Gewalt angetan worden ist. "Die Arbeitsgruppe Justiz hat eine Reihe von konkreten Vorschlägen erarbeitet, wie der Gesetzgeber den Schutz des Opfers im Ermittlungs- und Strafverfahren verbessern kann", berichtete Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dem Runden Tisch. So sollen Mehrfachvernehmungen der Opferzeugen durch den verstärkten Einsatz richterlicher Videovernehmung im Ermittlungsverfahren möglichst vermieden werden. Dem gleichen Zweck dient eine Neufassung der Vorschriften, welche eine Anklage wegen Sexualdelikten unmittelbar zum Landgericht als dann einziger Tatsacheninstanz ermöglichen. Opfer von Sexualdelikten sollen zudem in weiterem Umfang als bisher einen Opferanwalt auf Staatskosten in Anspruch nehmen können. Eine strafbewehrte gesetzliche Anzeigenpflicht für Menschen, die Kenntnis von Fällen sexuellen Missbrauchs erlangen, lehnten die Rechtsexperten im Interesse der Opfer dagegen ab. "Wir sind vielmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Selbstverpflichtung der betroffenen Organisationen, im Verdachtsfall die Staatsanwaltschaft über einen Tatverdacht zu informieren, der bessere Weg ist", so Leutheusser-Schnarrenberger. Deshalb arbeite die AG Justiz derzeit intensiv daran, Leitlinien zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu formulieren. Eigeninteressen der Organisationen dürften dabei keine Ausnahmen begründen. Leutheusser-Schnarrenberger: "So soll verhindert werden, dass Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch - wie leider in der Vergangenheit allzu häufig geschehen - weiter unter der Decke gehalten werden. Aus meiner Sicht sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich immer einzuschalten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Sexualstraftat begangen wurde. Ausnahmen hiervon sollten nur in sehr engem Rahmen möglich sein. Die Weitergabe der Information an die Strafverfolgungsbehörden bedeutet natürlich nicht, dass die Verpflichtung der betroffenen Organisation zum Schutz der ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen 'abgegeben' würde." Darüber hinaus beabsichtigt das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die zivilrechtliche Verjährungsfrist für alle Schadensersatzansprüche von Opfern sexueller Gewalt von derzeit drei auf 30 Jahre verlängert werde.Der Prävention sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen dient das Präventionsprojekt "Dunkelfeld" des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité. Es ist eine Anlaufstelle für Menschen, die sich selbst aufgrund ihrer pädophilen Neigungen als Gefahr wahrnehmen und sich deshalb um eine Therapie bemühen. Das Bundesministerium der Justiz fördert das Projekt seit 2005 mit jährlich 250.000 Euro. In den derzeit laufenden Beratungen des Haushaltsausschusses ist es gelungen, nicht nur die Fortführung dieses Projekts für die nächsten drei Jahre zu beschließen, sondern auch eine Aufstockung der Mittel auf 387.000 Euro jährlich bis 2013. Auch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Schröder, hat aus den Beratungen am Runden Tisch bereits erste Konsequenzen gezogen: Die Ministerin will dafür sorgen, dass
- jede Einrichtung, die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, bestimmte Standards erfüllt,
- diese Standards mit staatlicher Förderung und Finanzierung verknüpft werden,
- die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses durchgesetzt wird,
- die Selbstverpflichtungen der Institutionen festgelegt werden und
- eine bundesweite Fortbildungsoffensive startet.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30.09.2010
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